Das Höhlengleichnis ist eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie. Es stammt
von dem griechischen Philosophen Platon (428/427–348/347 v. Chr.).
Die Höhle, die Erfahrungswelt symbolisierend, ist nur ein Schatten der zugrunde liegenden Welt des Lichts, die außerhalb der Höhle liegt. Der eingeschränkte Erfahrungs- und Erkenntnisraum der Höhlenbewohner hat sich so sehr verfestigt, dass sie auch nicht bereit sind, die Höhle zu verlassen, wenn sie auf die Welt der Sonne mit ihren schier unvorstellbaren Möglichkeiten aufmerksam gemacht werden.
Eine Gruppe von Puppenspielern erzeugt durch ihre Schattenspiele diese Illusion und hält die Höhlenmenschen damit in ihrem eigenen verfestigten Weltbild gefangen. Als ein Ergebnis wird sowohl die Neugierde auf die Außenwelt wie auch eine mögliche Belehrbarkeit über diese erfolgreich verhindert. Das geistige Gefängnis ist perfekt.
In der Interpretation dieses Gleichnisses sind sich über die Jahrhunderte alle einig, dass der Höhlenmensch den Normalbürger darstellt, der in der Welt der Sinne gefangen ist.
Über die Welt der Sonne bestand vom Altertum an Einigkeit, dass sie Platons Ideenwelt versinnbildlicht, die man über Platons Akademie als Philosophenschule/ Einweihungsschule erreichen konnte, um bereichert um diese Erfahrung als wahrer Philosoph zurück zu kommen.
Im gesellschaftlichen Umbruch im Mittelalter tauchen neue Interpretationen auf, durch das Gleichnis wurde der Widerstand der Gesellschaft gegen eine Erneuerung des herrschenden Weltbilds aufgrund bahnbrechender Entdeckungen der beginnenden Neuzeit thematisiert. Z.B. sah Giordano Bruno in den mittelalterlichen Scholastikern Gefangene des alten Weltbildes und im Wirken von Nikolaus Kopernikus den Versuch, die Fesseln dieses zu eng gewordenen Weltbildes der Scholastik abzuwerfen und den Menschen aus der "Höhle der Unwissenheit" herauszuführen.
Mit der Entdeckung der Quantenrealität Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt eine erneute Aktualisierung des Höhlengleichnisses. Als die Welt der Sonne kann jetzt eine neu entdeckte holistische Quantenwelt gesehen werden, die in ihren Gesetzen der Alltagserfahrung widerspricht, aber gleichzeitig der fragmentarischen Alltagswelt zugrunde liegt. Da die technischen Schöpfungen dieser neuen Weltsicht in zunehmendem Maße unseren Alltag durchdringen, können wir uns nicht mehr dieser Welt verschließen. Mehr und mehr leuchtet die Sonne in die Höhle unserer Alltagswelt.
Der Science Fiction Film Matrix von 1999 führt dem Zuschauer vor Augen, wie schnell durch einen übermächtiger Staatsapparat im 21. Jahrhundert die Idee des Höhlengleichnisses zu einer traumatischen Realität werden kann. Der Film wirft grundsätzliche Fragen unseres Wirklichkeitsverständnisses auf:
"Nehmen wir einmal an, wir leben in einer Matrix. Die erste Frage, die sich auftun würde, wäre wohl: Wer hat diese Matrix erschaffen? Die zweite wahrscheinlich: Warum?
Die erste Frage ließe drei Möglichkeiten zu:
1.) künstliche Intelligenz (wie im Film),
2.) Außerirdische oder – um es wissenschaftlicher zu sagen – extraterrestrische Lebewesen mit einer menschenähnlichen Intelligenz, oder
3.) unsere Nachfahren.
Und wie könnten wir dann herausfinden, ob wir bereits in einer Matrix leben? Doch sollten wir das wirklich tun? Sollten wir wirklich versuchen, herauszufinden, ob wir nur in einer Simulation leben? Was, wenn es so wäre? Würden wir uns befreien oder würden wir das gar nicht wollen?"
Unausgesprochen hinter diesem Gleichnis liegt die Vision einer umfassenden, vertikalen Bildung, die eine Erweiterung des Erfahrungs- und Erkenntnisraumes ermöglicht, in dem sowohl die Welt der Schatten, die Welt der Sonne als auch der Übergang zwischen beiden ihren Platz finden
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