Westliche Bewußtseinsforschung und asiatische Bewußtseinsschulung.

Die Wahrnehmung ist abhängig vom jeweiligen Bewußtseinszustand. Dies gilt nicht nur für unsere Hauptbewußtseinszustände Wachen, Träumen und Tiefschlaf, sondern auch für die sog. Höheren Bewußtseinszustände. Je nach Bewußtseinszustand ändert sich charakteri­stisch die Wahrnehmung der Innenwelt, Mit- und Umwelt. Sowohl die transpersonale Psy­chologie als auch die verschiedenen spirituellen Traditionen der Welt liefern reichhaltiges Erfahrungsmaterial zum Verständnis dieses tiefen Geheimnisses unserer Existenz.

Bewußtseinszustände

Das menschliche Bewußtsein kennt zwei Pole, das „Ich“ und das „Selbst“. Das Ich ist der individuelle Pol des menschlichen Bewußtseins, von ihm aus nehmen wir die Welt als getrennt von uns wahr, als fragmentiert in eine Ansammlung von unübersehbar vielen isolierten Objekte. Aus dem Blickwinkel des „Selbst“, dem kollektiven Pol des menschlichen Bewußtseins, erfahren wir die Welt als eine große Ganzheit, untrennbar mit uns verbunden.

 

Im Laufe eines Tages wechselt das Bewußtsein, der Mensch durchläuft verschiedene Bewußtseinszustände, drei Hauptbewußtseinszustände, Wachen (W), Träumen (REM) und Tiefschlaf (D). Nur im Wachbewußtsein sind wir uns unseres „Ich“ bewußt.

 

Beim Übergang von einem Hauptbewußtseinszustand zum nächsten durchlaufen wir ein Grenzbewußtsein, bei dem eine Entkopplung von Geist und Körper stattfindet. Dies ist für jeden in den sog. Fallträumen erlebbar. In diesen Zwischenzuständen hat der Mensch Zugang zum transpersonalen, kollektiven Pol seines Bewußtseins.

 

Das Geheimnis dieses Zwischenzustands als Phasengrenze zwischen Hauptbewußtseinszuständen ist auch Thema des Holzschnitts „Tag und Nacht“ von M. C. Escher.

 

Seit Jahrtausenden wird in den Kulturen des Ostens von diesem Grenzbewußtsein berichtet. Jeder Mensch durchläuft diesen Bewußtseinszustand, wenn er einschläft. Es gibt aber nur wenige, die das Glück hatten, den Einschlaf­vorgang bewußt zu erleben. Es ist ein charakteristisches Gefühl des Fallens, Sinkens, die Dominanz des ichhaften Denkens löst sich auf und mit dem Erreichen der Pha­sengrenze zwischen Wachen und Schlafen kom­men plötzlich Lichterfahrun­gen, Erfahrungen eines All-Bewußtseins, ein Gefühl der Glückseligkeit, der inneren Verbundenheit, der Einheit mit allen Dingen.

 

Dieses Erlebnis ist oft mit einer tiefen religiösen Urerfahrung verbunden, es hat etwas ursprünglich Heiliges an sich. Wer dieses Überschreiten des eigenen Ichs zum Selbst einmal bewußt erlebt, wird das tiefe Gefühl von Befreiung in diesem Erlebnis kaum wieder vergessen.

 

Bewußtseinsstufen

Nach den östlichen Bewußtseinskonzepten folgt das Bewußtsein nicht nur im Laufe des Tages von einander abgegrenzte Bewußtseinszuständen, auch die Bewußtseinsentfaltung erfolgt in Stufen. Die verschiedenen Bewußtseinstraditionen haben dazu Stufenmodelle entwickelt, die hierarchisch strukturiert sind und bedeuten, daß Bewußtseinsschulung gestuft erfolgt. Zu deren Unterstützung sind jeweils detaillierte Schulungswege bekannt. Ein Überblick auf ein 5-Stufenmodell ist in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

 

3. Zustand höheren Bewußtseins Einheitsbewußtsein (brahmi-cetata) Verwirklichung der Ganzheit des Bewußtseins; Erlebnis der Einheit von manifesten und unmanifesten Aspekten der Wirklichkeit Mechanik: Transzendieren der subtilsten Wahrnehmungs- und Gefühlsebenen; kognitive Verfeinerung
2. Zustand höheren Bewußtseins Verfeinertes Kosmisches Bewußtsein (bhagavat-cetana) Wahrnehmung der subtilsten Werte der belebten und unbelebten Umwelt; Verfeinerung von gefühlsmäßigen Qualitäten Mechanik: Verfeinerung der Sinnesorgane; Kultivierung der Fähigkeit zur Hingabe
1. Zustand höheren Bewußtseins Kosmisches Bewußtsein, Integrales Bewußtsein (turiyatita) Duales Bewußtsein: reiner Selbstbezug koexistiert mit außengerichteter Aktivität, permanent aufrechterhaltene innere Wachheit Mechanik: Alternieren von Transzendentalem (reinem) Bewußtsein mit relativen Zuständen, bis Koexistenz erreicht ist
Referenz-Zustand Transzendentales Bewußtsein (turiya) Reine Bewußtheit: in sich selbst ruhendes Bewußtsein; Zustand der geringsten Anregung des Bewußtseins Mechanik: Verringerung der mentalen und körperlichen Aktivität
 Relative Hauptbewußt-seinszustände Wachen, Träumen, Schlafen Bekannte psychophysiol. Merkmale  

Überblick über das Bewußtseinsstufenmodell der Vedischen Psychologie nach F.-Th. Gottwald / W. Howald: „Bewußtseinsentfaltung in spirituellen Traditionen Asiens“, aus A. Resch (Ed.): Veränderte Bewußtseinszustände, Resch 1990)

 

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