Heute wird die ökologische Frage in der Gesellschaft noch weitgehend gleichgesetzt mit Verboten, Krisen, Strafen, Mangel und Kontrolle. Ökologie wird gleichgesetzt mit erzwungenem Verzicht, nicht mit Chancen und Lebensqualität.
Hier setzt die Umweltbildung an. Dabei geht es darum, den Wert zu erkennen, den die Natur an sich birgt. Der Dichter Antoine de Saint-Exupéry sagte einmal:
„Wer ein Schiff bauen möchte, lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem Meer“.
Bezogen auf eine wirksame Umweltbildung könnte man an Saint-Exupéry´s Gedanken so anknüpfen:
„Wer eine ökologische Zukunft möchte, lehre die Menschen die Sehnsucht nach der Natur“.
Dann wird die ökologische Frage zu einer gesellschaftlichen Sebstverständlichkeit.
Zusammenfassung:
Ziel der Ökologischen Ästhetik ist die Entwicklung neuer integrierter Sichtweisen im Sinne einer Vernetztheit aller Dinge, ein ganzheitlicher Umgang des Menschen mit seiner Innen-, Mit- und Umwelt sowie die Bildung neuer, zukunftsfähiger Wertvorstellungen im Beziehungsfeld Mensch, Natur und Technik.
In dem Maße, wie dem Menschen die Sinne als Erkenntnis- und Wertungsorgane bewußt sind, erkennt er die ökologischen Zusammenhänge aus eigener direkter Anschauung. So entsteht ökologische Kompetenz. Diese Ziele gilt es in einer ökologisch-ästhetischen Umweltbildung umzusetzen durch Erschließung eines äußeren wie auch inneren Zugangs zur Natur und zur Tiefendimension des Menschen. Einige Aspekte werden exemplarisch dargestellt.
Ökologische Ästhetik sieht Ästhetik als subjektiven Aspekt der Ökologie und Ökologie als objektive Ausprägung der menschlichen ästhetischen Dimension.
Einleitung
Die Erfahrungen der Vergangenheit sowie der gegenwärtige Zustand unserer Welt geben Anlaß, über neue erweiterte Erkenntnis- und Verständnismöglichkeiten des Menschen und seiner Umwelt nachzudenken. Die gegenwärtige gesamtgesellschaftliche Neuorientierung ist verbunden mit der Suche nach ganzheitlichen Lebenskonzepten, die eine ausgeglichene, ökologisch nachhaltige Lebensführung ermöglichen. Dabei geht es um die Auflösung der Gegensätze, die unser bisheriges, fragmentarisches Weltbild bestimmt haben.
In den letzten 20 Jahren wurden vielfältige Methoden entwickelt, um die komplexen Probleme der Gegenwart zu bewältigen. Obwohl wir im Verständnis von ökologischen Zusammenhängen ein großes Stück vorwärts gekommen sind, ist die gesellschaftliche Umsetzung immer noch mit großen Schwierigkeiten verbunden. Der Mensch ist noch zu wenig in seinem Fühlen und Wollen in die ökologischen Konzepte eingeschlossen. So sind ökologische Großprojekte schnell gesellschaftlich isoliert, werden die gesellschaftlichen Belange der Region nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt und wird nicht in gezielten soziologischen Interventionen für die Projekte geworben. Ohne flankierende Maßnahmen, die die menschliche Komponente berücksichtigen, bleiben die Projekte leicht auf halbem Wege stecken.
Heute wird die ökologische Frage in der Gesellschaft noch weitgehend gleichgesetzt mit Verboten, Krisen, Strafen, Mangel und Kontrolle. Ökologie wird gleichgesetzt mit erzwungenem Verzicht, nicht mit Chancen und Lebensqualität. Hier setzt die Umweltbildung an. Dabei geht es darum, den Wert zu erkennen, den die Natur an sich birgt. Die Wiederherstellung der Natur ist ein Wert an sich, der wie alles seinen Preis hat, den wir gerne zahlen sollten. Der Dichter Antoine de Saint-Exupéry sagte einmal: „Wer ein Schiff bauen möchte, lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem Meer“. Bezogen auf eine wirksame Umweltbildung könnte man an Saint-Exupéry´s Gedanken so anknüpfen: „Wer eine ökologische Zukunft möchte, lehre die Menschen die Sehnsucht nach der Natur“. Dann wird die ökologische Frage zu einer gesellschaftlichen Sebstverständlichkeit.
Ökologische Ästhetik
Um die gewohnten Denk- und Handlungsmuster zu einem Denken, Fühlen und Handeln in Einklang mit der Natur zu bringen, bedarf es einer den ästhetischen Prinzipien der Sinne gemäßen Bildung und einer Umgebung, die eine erweiterte Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen belebt und fördert. Mensch und Natur sind selbstähnlich aufeinander bezogen, dabei entsprechen die Urprinzipien der Natur den ästhetischen Prinzipien der Sinne bzw. den Wertprinzipien des Fühlens. In ihrem Ganzheitsaspekt ist die Natur in Einklang mit dem ästhetischen Empfinden des Menschen.
Diesem Verständnis folgend bildet die Ökologische Ästhetik einen wesentlichen Impuls auf der Suche nach Ansätzen zur Neuorientierung des Menschen in seiner Lebenswelt. In dem Maße, wie die Wertqualität der Sinne und des Fühlens dem Menschen bewußt sind, entsteht ökologische Kompetenz.
Ziel der Ökologischen Ästhetik ist
- die Entwicklung neuer integrierter Sichtweisen im Sinne der Vernetztheit aller Dinge;
- ein ganzheitlicher Umgang des Menschen mit seiner Innen-, Mit- und Umwelt;
- die Bildung neuer, zukunftsfähiger Wertvorstellungen im Beziehungsfeld Mensch, Natur und Technik.
Dabei geht es um die Entfaltung eines umfassenden Verständnisses einer ökologisch-ästhetischen Kultur durch eine fächerübergreifende Verbindung der Bereiche Kunst, Bildung und Wissenschaft. Die Ökologische Ästhetik erschließt so einen äußeren wie auch inneren Zugang zur Natur und zur Tiefendimension des Menschen.
Diese Ziele gilt es zu einer ökologisch-ästhetischen Umweltbildung umzusetzen. Einige Aspekte seien nachfolgend exemplarisch dargestellt.
Entwicklung integrierter Sichtweisen
Das Teil und das Ganze
In unserem Weltbild konkurrieren ökologische Konzepte der Vernetztheit aller Dinge im Sinne eines höheren Ganzen mit mechanistischen Konzepten von einer Schöpfung als einem Ensemble unabhängiger, miteinander konkurrierender Objektrealitäten. Solange dieser scheinbare Widerspruch in unserem Weltbild nicht aufgelöst ist, wird ein ökologisches Denken immer wieder ausgegrenzt werden.
M. C. Escher hat in seinem Bild Befreiung (Abb. 1) diese Verbindung zwischen Teil und Ganzem allegorisch dargestellt. Alle „Teile“ der Schöpfung kommen aus einer gemeinsamen Basis, dargestellt als Vögel, die über eine Reihe sequentieller Symmetriebrüche aus einem zugrunde liegenden Feld der Ganzheit entstehen. Es ist diese Koexistenz von Teil und Ganzem, die in unserem Denken wieder zu beleben ist. Heute beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß die holistische und die fragmentarische Betrachtungsweise nebeneinander notwendig sind, weil die Welt selbst zwiefältig angelegt ist: Je nach Randbedingung reagiert die Natur auf die eine oder andere Weise.
Abb. 1: M.C. Escher; Befreiung, April 1955;
Lithographie, 434 x 199; Haags Gemeentesmuseum
Beide Realitäten existieren nebeneinander und sind jeweils durch eigene Gesetzmäßigkeiten gekennzeichnet. So reagieren z.B. manche elektrische Leiter bei Raumtemperatur als normale elektrische Leiter und bei sehr tiefen Temperaturen als sog. Supraleiter. Ähnliches gilt in der Natur für Phasen und die zugehörigen Phasengrenzen.
Multidimensionale Realitäten
Unsere Weltsicht besteht aus vielen Teilwelten, die miteinander vernetzt sind. Dieses gilt sowohl für den naturwissenschaftlichen Blickwinkel, als auch für den gesellschaftlichen. Wir filtern in unserer Wahrnehmung Widersprüche spontan aus, nehmen sie nicht zur Kenntnis.
Wie leicht eine Sichtweise die andere verdrängt, läßt sich mit Hilfe von M. C. Eschers Bild Relativität (Abb. 2) leicht nachzuweisen. Wenn man dieses Bild um 120 ° dreht, sieht man jeweils eine andere Szenerie, der sich spontan die restlichen Details unterordnen. Details, die dem gewählten Blickwinkel widersprechen, werden einfach ausgeblendet.
So wie das Bild nur über die Gesamtheit der drei Teilrealitäten vollständig beschrieben werden kann, so sind zur vollständigen Beschreibung einer gegebenen Realität mehrere Blickwinkel nötig.
Abb. 2: M. C. Escher; Relativität, Juli 1953;
Lithographie, 277 x 292; Haags Gemeentemuseum
Was für die Wahrnehmung gilt, gilt auch für unsere Lebenswelt. Auch hier werden Widersprüche systematisch verdrängt, selbst, wenn dadurch unsere Lebenswelt spürbar verarmt. So ist z.B. in unseren Städten der Lebensraum von dem Bereich der Ver- und Entsorgung strikt getrennt. Unsere Wohnlandschaften sind künstliche Teilwelten. Ihre Abhängigkeit von anderen Teilwelten ist technisch geschickt verborgen, der Eindruck von der Wirklichkeit dadurch verzerrt.
In diesem Sinne bilden auch pluralistisches Denken, Konflikt- und Konsensfähigkeit sowie offene Kommunikation wesentliche Aspekte einer ökologisch-ästhetischen Umweltbildung
Kreislaufdenken
Die Isolation der Teilwelten gilt es zu durchbrechen, ihre gegenseitige Abhängigkeit, Durchdringung erfahrbar zu machen.
Nehmen wir z.B. den Wasserkreislauf. Das Wasser fließt aus dem Wasserhahn, ist 20 bis 30 cm zu sehen und verschwindet wieder im Ausguß. Was vor und nach diesen 20-30 cm geschieht, bleibt uns verborgen. Damit bleiben uns aber auch die komplexen Kreisläufe verborgen, die uns Städtern das Leben in dieser technisierten Umgebung ermöglichen. Ist in einer solchen technisierten Umgebung noch ein ökologisches Denken möglich?
Es ist wichtig, daß wir in unseren Stadt- und Kulturlandschaften wieder offene Kreisläufe haben. Warum trennen wir nicht Schmutz- vom Regenwasser und lassen letzteres wieder offen durch die Städte fließen. Es entstehen zwar auch Probleme, wenn die Natur wieder in die Städte zurückkommt. Gleichzeitig wird aber auch das Stadtbild belebt, eine neue Identifikation der Menschen mit ihrem Stadtteil erreicht. Es zeigt sich, daß schon solch einfache Maßnahmen ein neues Umweltbewußtsein hervorbringen können.
Urphänomen Wasser
Die Konsequenz ist ein Umdenken bis in den persönlichen Lebensstil hinein. Solange wir Wasser nur über seine physikalisch-chemischen Eigenschaften naturwissenschaftlich-technisch verstehen, wird unser Verständnis vom Wasser rein materiell sein. Erst das Schärfen des Blicks für qualitative Fragen wird unser Bewußtsein für das Wesen des Wassers öffnen. Wir müssen wieder sensibel werden für das Urphänomen Wasser, sein ureigenstes Verhalten.
Wo das Wasser zu seiner Umgebung Grenzflächen bildet, ist es in sensiblem, dynamischen Ausgleich zu seinen Nachbarwelten. Den sanften Lufthauch beantwortet die Wasseroberfläche mit feinem Kräuseln, durchbricht ein Gegenstand seine Oberfläche, antwortet das Wasser mit kreisförmigen Wellenringen. In fließenden Bächen modelliert das Wasser an seiner Oberfläche Unebenheiten des Grundes als stehende Wellen nach. Peitscht der Wind die Oberfläche, bildet das Meer brechende Wellenkämme, Wasser und Luft beginnen sich rhythmisch zu durchdringen. Als Dünung trägt das Wasser über Tausende von Kilometern die Botschaft eines Sturms an fremde Küsten. In Form von Solitonen haben die Wellen einen Selbstbezug erreicht, der ihnen etwas Wesenhaftes verleiht, wenn sie über Stunden auf der Meeresoberfläche dahinwandern.
Wo das Wasser sich frei nach seinen ureigensten Gesetzen bewegen kann, neigt es zu spontanen Rhythmen: es mäandriert, bildet Strudel, Rollen, Schlieren, Wirbelstraßen. Eine unendliche Vielfalt von Mustern tut sich auf. Abb. 3 zeigt eine derartige Wirbelstraße, erzeugt in einer Wanne, gefüllt mit einer Glykol/Wasser-Mischung.
Abb. 3: Wirbelstraße, Glykol/Wasser 3:1, Lykopodium
Auf der Oberfläche ist Lykopodium aufgepudert, um auch kleinste Wirbelbildungen sichtbar zu machen. Zieht man nun einen Stab durch das Wasser, so bildet sich hinter dem Stab eine Wirbelstraße, die durch das Lykopodium in ihrer Feinstruktur sichtbar wird. Je nach Größe und Form des Stabes, der Geschwindigkeit der Bewegung bildet sich eine unendliche Vielfalt von Mustern, die jeweilige Entstehungsgeschichte im Bild festhaltend.
weiter in Teil 2 des Artikels
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Auszug aus:
Dr. H. Schenkluhn: Kongressdokumentation „Wiesen und Weiden - ein gefährdetes Kulturerbe Europas“ ( Kunst- und Ausstellungshalle der BRD, Bonn vom 6. - 8. Juni 1996) 1997, Seite 263 ff